
Newsletter Nr. 2/März 2023
Vor kurzem traf ich unsere Nachbarin. Sie hat einen Hund und geht jeden Tag mit ihm raus. Oft kommt sie erst am Mittag oder späten Nachmittag vom Spaziergang zurück.
Wir grüßen uns immer kurz und ich fragte sie: „Wo wirst du heute spazieren gehen?“
Sie antwortete: „Ich weiß es noch nicht. Ich setze mich einfach in mein Auto und fahre los. Wohin weiß ich noch nicht. Das geschieht von allein und auf einmal habe ich meine Richtung/meinen Ort, wo ich heute sein möchte“.
Ich war erstaunt: Ein Mensch ohne Plan? In der heutigen Zeit? Die Nachbarin ist weder dement, noch chaotisch, noch weltfremd, sondern ganz normal und steht mit beiden Beinen auf dem Boden, lebensnah und praktisch orientiert in der Welt.
Nach der Begegnung habe ich nachgedacht. Unsere Nachbarin lebt im Augenblick, im JETZT, keine Sekunde früher oder später. Sie folgt keinem Plan, sondern ihrer Intuition, ihrem Bedürfnis, da wo sie gerne sein möchte und nicht woanders. Da ich ursprünglich aus dem medizinischen Bereich komme, denke ich sofort an Gesundheit und dass es in unserer heutigen Zeit die wenigsten Menschen schaffen, ihrer Intuition zu trauen/folgen, in sich hinein zu hören, was sie wirklich wollen und ihnen gut tut, ohne Einschränkungen/Einflüsse von außen!
Natürlich ließe sich jetzt argumentieren, dass die Nachbarin ja viel Zeit hat, sie sich flexible Planung leisten kann, da sie Pensionärin ist und nur die Verpflichtung, sich um ihren Hund zu kümmern.
Aber sind wir mal ehrlich: Liegt es wirklich nur daran, dass alle Bedingungen optimal sein müssten, damit wir in einen Achtsamkeits- und Selbstfürsorge-Flow kommen?
Ich glaube das nicht, wenn ich täglich auf die seelische Not meiner KlientInnen und PatientInnen in meiner Praxis sehe.
Viele kämpfen mit Gedanken wie „Heute muss ich…“, „heute geht nicht…“, „ich kann nicht…“, „ich darf nicht…“; Gedanken die mit Erwartungen/Ansprüchen gekoppelt sind, an sich selbst, an andere, von Seiten anderer. Und da gibt es eine Menge…never ending story…immer ist eine Erwartung/ein Anspruch da, der uns hemmt/daran hindert, das zu tun, was wir eigentlich möchten. Und selbst dann, wenn es ginge, schieben wir es oftmals auf….
Was können wir lernen aus der „planlosen“ Nachbarin-Geschichte:
- Schauen Sie auf die Begegnung mit anderen: Was kann Ihnen HEUTE ihr Gegenüber für einen interessanten Impuls mitgeben für Ihr Leben?
- Probieren Sie aus: Gibt es vielleicht 1x am Tag die Möglichkeit, mal was ohne genauen Plan zu machen? Zum Beispiel einen planlosen kleinen Umweg auf dem Nachhauseweg nach Feierabend oder zum Einkauf?
- Spüren Sie in sich hinein: Was hindert Sie, das spontan zu tun, was Ihnen gut tut? Geht es wirklich nicht, dass Sie sich das jetzt gönnen?
- Wie ist es mit Ihren Intuitionen? Welche haben Sie, wann tauchen sie auf, wie fühlen sie sich an?
- Welche Erwartungen/Ansprüche stecken in Ihnen drin und welche nehmen Sie von außen wahr?
Leben Sie Ihr Leben. Schenken Sie SICH Achtsamkeit. Augenblicke reichen schon. Es muss nicht Stunden dauern oder große „Zeitopfer“ beanspruchen. Aus der Forschung weiß man, dass kleinste Momente im Alltag genügen.
SEI MAL OHNE PLAN DU SELBST
Genießen Sie das Leben, mit aller Dankbarkeit und Freude!
Herzlich
Ihre Dr. Bianca Preuß
