Veränderungen im Leben – Sehnsüchte als Motor des Handelns

In diesem Beitrag der Reihe „Veränderungen im Leben“ führe ich aus, welche Funktion „Sehnsüchte“ haben, um von unseren Werten zum Handeln zu kommen.

Mein letzter Beitrag beschrieb diese in uns liegenden Kräfte, die uns antreiben, uns für etwas einzusetzen. Er endete mit einem Zitat aus dem Buch „Erschütterungen …“ unseres ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck, sein Wissen, wie viel Kraft Menschen innewohnt sowie dem Aphorismus, „Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe“.

Wie in dem Beitrag geschrieben, gibt es gewollte und ungewollte Brüche im Leben, wandeln sich auch die eigenen Werte unter veränderten Lebens- und Umweltsituationen. Immer wieder kommen Fragen auf wie „Wer oder was will und vor allem wie will ich sein?“, „Wofür trete ich ein?“, „Was ist meine Persönlichkeit?“ oder „Wie möchte ich von anderen gesehen werden?“ Gerecht? Verlässlich? Großzügig? Sparsam?

Und wenn Sie Antworten darauf gefunden haben: Gibt es da eine Sehnsucht nach einem anderen oder eventuell sogar besseren Leben?

Ja, die Wege zu uns enden nicht an der nächsten Ecke und sind nicht immer leicht. In einem Song hat Helene Fischer dies musikalisch zum Ausdruck gebracht: „Auf der Suche nach mir, nach mir selbst, bin ich weit gegangen, hab′ auf Scherben getanzt, […]. Doch ich weiß, was ich will, Ich folg’ meinem Gefühl nach vorn. Ich hab’ mich selber nie verlor′n […]. Auf der Suche nach Sinn – Auf der Suche nach Glück- Auf der Suche nach mir …“.

Wir werden geführt von inneren Kräften, die so stark sein können, um wie Judith Rakers auch einen „Traumjob“ wie die Tagesschau nach 19 Jahren hinter sich zu lassen. „Ich muss mich von Routinen trennen, um Platz für Neues zu schaffen, um meinem Leben auch noch mal eine neue Wendung zu geben.“ Dabei ginge es ihr um die Folgen einer „inneren Verwandlung“. „Ich versuche das äußere Leben dem inneren anzupassen.“ (Quelle):

Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…“ (Hermann Hesse, Stufen),

Ins Handeln kommen

Werte sind selten mit unmittelbaren Handlungen verbunden, sie sind aber für diese eine ethisch-moralische Leitlinie. Zwischen ihnen und dem Handeln bestehen in der Regel auch Diskrepanzen. Entweder weil die Realisierung bestimmter Werte unter gegebenen Bedingungen schwierig ist, Rechte bzw. Interessen anderer dem Entgegenstehen oder materielle Voraussetzungen fehlen…

Doch wenn eine innere Motivation vorhanden ist, der Einsatz sich zu lohnen scheint, wachsen Menschen über sich hinaus, kämpfen und lernen für eine Sache, die ihnen am Herzen liegt. Dann bleibt es nicht beim „Man müsste mal, sollte mal, könnte mal …“ beim Verbleiben in der Komfortzone, dem Abschieben von Verantwortung… Sich Wissen und Können anzueignen wird dann allenfalls von eigenen Fähigkeiten begrenzt. Doch wer etwas möchte, findet Wege, Helferinnen und Helfer.

Das vorstehende Schaubild habe ich mit dem eingangs wiederholten Zitat in Beratungen, Vorträgen oder Gruppenmoderationen genutzt, weil als Begründung für das Verharren im Status quo häufig ausgeführt wurde (und wird!), dass man etwas nicht kann oder etwas nicht weiß…

Die eigene Sehnsucht – Motor des Anfangens

Es ist die Sehnsucht nach einem erfüllten Leben, die uns anfangen lässt, nach etwas Besserem zu streben. Bei der Suche nach Erfüllung im Leben geht es vor allem darum, dass wir uns selbst kennenlernen, annehmen und zu uns stehen. Wie kann ich im Einklang mit meinen Werten leben? Welche Talente schlummern in mir? Welche Aktivitäten machen mir Spaß? In welche Tätigkeiten kann ich mich so vertiefen, dass ich die Welt um mich herum vergessen? Wonach strebe ich: Geld, Prestige, Erfolg?

Sehnsucht ist ichbezogen, auf Beziehungen, den Beruf oder eine Wohnsituation bezogen. Sie ist eine Vorstellung, die man von der Zukunft hat, die man zu erreichen wünscht, von der man denkt, dass sie einem viel Positives bereiten wird. Sie ist der Motor, die Unruhe von uns Menschen, die uns nicht zufrieden sein lässt, dass alles so bleibt wie es ist.

Sehnsüchte äußern sich in der Regel als sehr intensive, wiederkehrende Emotionen, die je nach Gegenstand eher freudig, eher traurig oder bittersüß sein können. In der Psychologie werden sie definiert als „Gedanken und Gefühle über vergangene, gegenwärtige und zukünftige Aspekte des Lebens, die unvollständig oder unvollkommen sind, gepaart mit dem Wunsch nach einem alternativen Idealzustand“. Sehnsucht hat „vor allem zwei Funktionen – eine reflektierende und eine richtungsweisende“. (Quelle)

Die Sehnsucht nach Vergangenem kann gespeist werden aus einer unbeschwerten Kinder- und Jugendzeit, den als Kind erlebten geheimnisvollen Weihnachtsfesten, der prickelnden ersten Liebe, den aufregenden Tagen der Studentenzeit oder dem Duft der Lavendelfelder in der Provence… Aber: Keine Sekunde kommt so wie sie war – richtiger: in Erinnerung ist – wieder; es kann nur anders sein/werden.

Meistens steht „Sehnsucht“ für etwas Positives – und nur diese Sehnsucht soll Thema dieses Beitrages sein. Sie motiviert uns, gibt uns die Kraft, das zu tun, ohne dass wir nicht anfangen können: loslassen. Wir können nur in die Zukunft kommen (und in der will und werde ich leben!), wenn wir die Vergangenheit loslassen.

Der eigenen Sehnsucht zu folgen ist wie ein Aufbruch ins Ungewisse mit der Hoffnung auf ein glückliche(re)s, authentisches Leben. Der Aufbruch erfolgt, wenn die Sehnsucht stärker ist als das Bedürfnis nach Sicherheit und die Angst Vertrautes loszulassen.

Sehnsucht nach Erleben

Von Antoine de Saint-Exupéry, dem Autor von „Der Kleine Prinz“, stammt das Zitat: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.” Diese Sehnsucht nach dem weiten, unendlichen Meer wird durch das Wirken persönlicher, unbefriedigter Motive erst geweckt.

Die (fremde) Welt lässt sich nicht vom Wohnzimmersessel aus erkunden. Sie zwingt uns dazu, mit eigenen Augen zu sehen, was ist, lässt uns erkunden, wie die Luft woanders schmeckt, lässt uns fremde Sprachen lernen, um mit den Leuten selbst reden zu können.

Dabei treffen wir auf einen Freizeit- und Erlebnismarkt, in dem Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentwicklung wichtige Aspekte sind, in dem angeboten, nachgefragt und konsumiert wird, in dem Sport nicht nur Leistung ist, sondern auch Spaß, Gesundheit, Fitness, Gemeinschaft, Entspannung, Grenzerfahrung, Urlaub und Erholung ist. Sehnsüchte, die sich vor allem darin zeigen, viel erleben und bekommen zu wollen.

Viel zu leicht überschätzen Menschen dabei kurzzeitige Happiness-Effekte. Weil unser Hirn kurzfristige, sprungartige Entwicklungen liebt und kontinuierliche Entwicklungen weniger wahrnimmt, glauben sie, dass ein gutes Leben aus lauter Abenteuern, Reisen, Wohnortwechseln und Höhepunkten bestehen müsse. Wenn nur Aktivität, Geschäftigkeit und Emsigkeit zählen, müssen sie ihre Karrieren, ihre Firmen, ja, auch ihr Leben permanent neu erfinden. Vielleicht ist auch das dem Gossenschen Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen geschuldet? Möglich, dass mit dem Streben nach „Nachhaltigkeit“ Tugenden/Werte wie Ausdauer, langfristiges Denken und Beständigkeit generell wieder mehr Gewicht bekommen, mehr auf Langzeiterfolge statt auf kurzfristige Erfolge gesetzt wird!

Im Übrigen: Es gibt sie ohnehin immer wieder und -wie ich aus eigener Erfahrung weiß – je älter man wird, desto ausgeprägter, diese Sehnsucht nach Ruhe, Beständigkeit, Sicherheit. Das zeigt, dass sich Werte im Laufe des Lebens nach und nach verschieben können, unsere „Ausgangslage“ sich immer wieder verändert und verändern kann. Rieche öfter am Käse, damit du bemerkst, wenn er alt wird.“ (siehe hierzu auch meinen ersten Blogbeitrag) .Möglich, dass diese Sehnsucht auch als nostalgische Schwärmerei daher kommt, aus der Vergangenheit, der Sehnsucht nach der unbeschwerten Kindheit? Ein Blick in die Vergangenheit zeugt übrigens auch von moralisch-ethischen Transformationen, die sich in den Werten der Epochen und unter anderem im Menschheitstraum von „Alle Menschen werden Brüder und Schwestern“ wiederfinden.

Sehnsucht ist der Nährboden für Lebensziele und kann näher zum Lebensglück führen. Nur wer seine Sehnsüchte kennt, findet sein Lebensziel und somit auch seinen Lebenssinn. Oft beginnt es mit einem kleinen ersten Schritt, z.B. an den Störfaktoren zu arbeiten, die im Wege stehen.

Ein Traum ist unerlässlich, wenn man die Zukunft gestalten will.“(Victor Hugo)

Mit diesem Zitat beende ich diesen Blogbeitrag, mit dem ich verdeutlichen möchte, dass Werte allein nicht ausreichen, Handlungen zu initiieren. Werte zeigen eher „Wie ich sein oder gesehen werden will“ und weniger das „Was ich sein, erreichen, erleben möchte“. Dies zu ergründen, helfen die Sehnsüchte. Zum konkreten Handeln benötigen wir dann nur noch „gute Ziele“. Was diese kennzeichnet, werde ich in meinem nächsten Beitrag beschreiben.

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